Er wurde 1896 in Ludwigsburg in eine Bäckersfamilie geboren und wurde Verwaltungsbeamter bei der Stadtverwaltung seiner Heimatstadt. Und er war schwul. Was Gott und der Welt hätte egal sein können, setzte den Polizei- und Justiz-Apparat des von Nazis regierten Deutschland in heftige Aktion: Im Januar 1934 wurde er verhaftet: „Wie der Amtsvorstand des Polizeiamts […] mitgeteilt hat, haben die Ermittlungen und das eigene Geständnis des Obersekretärs ergeben, dass er in fortgesetzter Tat widernatürliche Unzucht getrieben hat“, hieß es in der Anklage gegen Wilhelm Osswald.
Osswald hatte seine Liebe zu Männern weder der Familie noch im Freundeskreis mitgeteilt. Vor Gericht verteidigte er sich nun offensiv und kritisierte den § 175 des Strafgesetzbuchs als „völlig unhaltbar“. Das Urteil gegen ihn fiel vergleichsweise milde aus, da er nur eine längerfristige Partnerschaft pflegte und da ein medizinisches Gutachten im eine „gute Persönlichkeit“ attestierte: Er kam für wenige Wochen ins Gefängnis und musste 300 Mark Strafe bezahlen.
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis wurde Wilhelm Osswald seines „Amtes enthoben“, jedoch nicht aus dem Dienst entlassen. Der Autor Frederick Bacher, der Osswalds Geschichte 2018 in dem Band „Späte Aufarbeitung – LSBTTIQ-Lebenswelten im deutschen Südwesten“ der Landeszentrale für politische Bildung darstellte, beschreibt Wilhelm Osswald „beruflich und privat vor einem Scherbenhaufen“.
In einem Berufungsverfahren erreichte er, dass er wenigstens finanziell etwas besser gestellt wurde. Er konnte aushilfsweise beim Fleckviehzuchtverband Ludwigsburg arbeiten, beim Kohlhammer-Verlag in Stuttgart und beim Bürgermeisteramt Besigheim. Da er in allen Arbeitsstellen einen guten Eindruck hinterließ, wurde er 1938 bei der Landesfürsorgebehörde fest angestellt. Eine Rückkehr in den Beamtenstatus blieb ihm während der NS-Diktatur verwehrt.
Osswald unterdrückte sein Bedürfnis nach Sex. „Es wäre ein leichtes gewesen, mir insbesondere in Stuttgart meiner Veranlagung entsprechende Erlebnisse zu verschaffen, ich habe aber darauf verzichtet, weil ich mir stets bewusst war, was ich meiner Stellung als Beamter schuldig bin. In der Selbstbeherrschung glaube ich das äußerste geleistet zu haben, was einem Menschen zugemutet werden kann.“
Nach dem Ende der Diktatur sorgte Osswalds Vorgesetzter beim Landesfürsorgeverband, Fritz Haußmann, für seine Weiterbeschäftigung. Seine Homosexualität verbarg Wilhelm Osswald in den Unterlagen zur „Entnazifizierung“ – auch nach dem Niedergang der Nazis war Schwulenfeindlichkeit weit verbreitet und galt der von Osswald hart kritisierte § 175 weiter – bis 1994.
1958 trat Wilhelm Osswald wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand und bezog eine Pension als Beamter. Am 16. März 1970 ist er in Ludwigsburg gestorben.
(Alle Informationen stammen aus dem oben erwähnten Beitrag von Frederick Bacher. ISBN 978-3-945414-47-7)